dbb magazin 6/2025

kommunale Stadtwerke verkauft, Nahverkehrsleistungen an private Subunternehmen vergeben oder Bereiche der Bahn ausgelagert – mit weitreichenden Folgen für die Erbringung öffentlicher Leistungen: Staatliche Verantwortung wurde teilweise an den Markt abgegeben mit der Folge, dass sich heute vielerorts die Frage stellt, ob die Ziele der Daseinsvorsorge unter privatwirtschaftlichen Bedingungen überhaupt noch verlässlich erreicht werden können. In der Theorie kann die Beteiligung privater Akteure durchaus Vorteile bringen: etwa Effizienzsteigerung, Innovationskraft oder flexible Reaktionen auf neue Anforderungen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Privatisierung insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge erhebliche Risiken birgt, denn Leistungen der Daseinsvorsorge müssen allen Menschen zugutekommen – unabhängig von Einkommen oder Wohnort. Private Anbieter hingegen agieren gewinnorientiert. Daraus ergibt sich ein Zielkonflikt: Unrentable, aber gesellschaftlich notwendige Leistungen wie die Anbindung ländlicher Räume an den öffentlichen Nahverkehr werden häufig reduziert oder ganz gestrichen. Zudem leidet die demokratische Kontrolle: Transparenz, politische Steuerung und Bürgerbeteiligung nehmen ab, wenn Leistungen durch private Dienstleister erbracht werden. Deshalb braucht öffentliche Verantwortung nach Auffassung des dbb öffentliche Mittel. Erfolgreiche Rekommunalisierung In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland mehrere erfolgreiche Beispiele für den Rückkauf öffentlicher Infrastrukturen in staatliche oder kommunale Hände – ein Prozess, der oft unter dem Begriff „Rekommunalisierung“ diskutiert wird. Besonders deutlich wurde dieser Trend in Hamburg. Die Stadt hatte in den 1990er-Jahren ihre Anteile an den Strom-, Gas- und Fernwärmenetzen an private Energiekonzerne wie Vattenfall und E.ON verkauft. Nach wachsender öffentlicher Kritik und einem erfolgreichen Volksentscheid im Jahr 2013 leitete Hamburg jedoch die Rückführung dieser Netze ein. Bis 2019 übernahm die Stadt wieder vollständig die Kontrolle über ihre Energieinfrastruktur. Der Rückkauf wurde als ein großer Erfolg gewertet, insbesondere im Hinblick auf die stärkere kommunale Kontrolle über die Energiepolitik und die Ausrichtung auf klimapolitische Ziele. Ein weiteres prominentes Beispiel ist Berlin. Auch hier war das Stromnetz an Vattenfall verkauft worden. Nach jahrelangen politischen Debatten und juristischen Auseinandersetzungen erhielt das Land Berlin im Jahr 2021 den Zuschlag für die Stromnetzkonzession. 2022 wurde das Netz offiziell zurückgekauft. Die Stadt verfolgt seither das Ziel, das Stromnetz stärker an sozialen und ökologischen Kriterien auszurichten, unter anderem durch die Förderung dezentraler erneuerbarer Energiequellen. München zeigt, dass auch eine langfristige Strategie zur Wahrung kommunaler Kontrolle erfolgreich sein kann. Die Stadt hat frühzeitig vermieden, zentrale Infrastrukturen zu privatisieren, und ihre Stadtwerke München (SWM) gezielt gestärkt. Bereits in den 2000er-Jahren kaufte München Beteiligungen an der Energieversorgung zurück, unter anderem von E.ON. Die SWM gelten heute als eines der leistungsfähigsten kommunalen Versorgungsunternehmen Europas und investieren massiv in erneuerbare Energien sowie in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Auch Leipzig hat Erfahrungen mit der Rekommunalisierung gemacht. Dort wurden Anfang der 2000er-Jahre Teile der Wasserwirtschaft teilprivatisiert. Durch gezielte Rückkäufe und strategische Entscheidungen konnte die Stadt die Kontrolle über die Wasserwerke wieder vollständig erlangen. Die Rekommunalisierung gilt hier als Beispiel für die Wiederherstellung demokratischer Kontrolle und langfristiger Versorgungssicherheit in einem sensiblen Bereich der Daseinsvorsorge. In Stuttgart wurde 2011 mit der Gründung der Stadtwerke ein wichtiger Schritt hin zur Rekommunalisierung unternommen. Ziel war es, sich wieder stärker in die Energieversorgung einzubringen. Die Stadt erwarb Beteiligungen an Netze BW, um mehr Einfluss auf die lokale Energieinfrastruktur zu gewinnen und die Energiewende vor Ort aktiv mitzugestalten. Diese Beispiele zeigen, dass die Rückführung öffentlicher Infrastruktur in staatliche Hände in Deutschland nicht nur möglich, sondern in vielen Fällen auch wirtschaftlich sinnvoll und politisch gewollt ist. Sie stehen für ein wachsendes Bewusstsein in der Bevölkerung und in den Kommunen, dass zentrale Bereiche der Daseinsvorsorge wie Energie, Wasser und Verkehr nicht ausschließlich nach marktwirtschaftlichen Kriterien organisiert sein sollten, sondern einer öffentlichen Verantwortung unterliegen. Daseinsvorsorge ist Kernbestandteil des Sozialstaatsprinzips und somit staatliche Pflichtaufgabe. Ihre Erbringung muss dem Gemeinwohl dienen, nicht der Gewinnmaximierung. Zwar kann die Einbindung privater Akteure in Einzelfällen sinnvoll sein, doch die grundlegende Steuerung, Finanzierung und Verantwortung müssen beim Staat bleiben. eh © Unsplash.com/Matthew Henry FOKUS 21 dbb magazin | Juni 2025

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