(Neu-)Bewertung führen kann. Die subjektive Perspektive spielt dabei eine große Rolle – was in einer Dienststelle als „normal“ gilt, kann in einer anderen als erheblicher Stressor wirken. Den Nutzen der Zielkalibrierung verdeutlichte Rigotti mit einem Zitat von Prof. em. Dr. Norbert K. Semmer (Universität Bern): „Stress hat mit der erlebten oder erwarteten Vereitelung von Zielen zu tun.“ Stress entstehe, wenn Ziele unerreichbar scheinen. Daher sei es entscheidend, dass Arbeit so gestaltet wird, dass Ziele erreichbar bleiben. Arbeitgeber sollten gemeinsam mit Beschäftigten Zielvereinbarungen treffen, statt Zielvorgaben einseitig festzulegen – ein Aspekt, der laut Rigotti häufig vernachlässigt werde. Die Strategie der Stressinokulation verglich Rigotti mit einer „Stressimpfung“: Durch kontrolliertes Aussetzen stressiger Situationen könne Resilienz erlernt werden – ein Befund aus mehreren seiner Studien. Die Erholung ist schließlich laut Rigotti das „letzte Puzzleteil“ im Umgang mit Stress. Entscheidend sei die Qualität des Erlebens. Er nannte vier Elemente wirksamer Erholung: Freude an der Tätigkeit, Kontrolle über Zeit und Leben, „Mastery“ – also das Gefühl von Fortschritt und Lernen – sowie psychische und physische Distanz zum Arbeitsalltag. Alle vier Aspekte benötigen soziale Unterstützung als „Schmiermittel“. Hier komme insbesondere den Personal- und Betriebsräten eine Schlüsselrolle zu. Sie informieren, vermitteln, absorbieren Spannungen – und sind selbst stark belastet. Deshalb sei auch für sie Resilienzaufbau essenziell. Rigottis Appell: In Krisensituationen sollte man sich nicht scheuen, Unterstützung anzunehmen. Becker-Lerchner: Umweltschutz braucht Akteure Friederike Becker-Lerchner, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt im Arbeits- und Personalvertretungsrecht, hat sich in ihrem Impulsvortrag mit dem Thema „Das umweltpolitische Mandat des Personalrats – Wunsch oder Realität?“ beschäftigt. Haben Personalvertretungen ein Mandat, umweltpolitische Anliegen innerhalb der Dienststelle zu vertreten, und ist dieses Mandat eher theoretischer Natur oder findet es Anwendung in der Praxis? Zwar sei Umweltschutz im Bundespersonalvertretungsgesetz nicht erwähnt. Das bedeute aber nicht, dass es keine Möglichkeiten für Personalvertretungen gebe, umweltpolitische Aspekte in ihrer Arbeit zu verfolgen. „Im Gegenteil, dieses Themenfeld benötigt Akteure und sollte auch im Personalrat gelebte Realität sein“, unterstrich die Anwältin. Um das umzusetzen, könne der Personalrat bestehende Mitbestimmungsrechte nutzen, denn Umweltschutz sei auch Gesundheits- und Arbeitsschutz, „und in diesen Bereichen greifen die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen natürlich“. Weiterhin sähen die Landespersonalvertretungsgesetze von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Spielräume vor, die interpretatorisch genutzt werden könnten. „Das alles steht und fällt letztlich zwar mit der Offenheit des jeweiligen Dienstherrn gegenüber Neuerungen“, so Becker-Lerchner. Entmutigen lassen sollten sich Personalräte jedoch nicht, sondern bewusst Gestaltungsmöglichkeiten suchen. „Dazu eignet sich besonders der soziale Bereich“, erläuterte die Referentin und gab konkrete Beispiele: Die Kantine auf Bioprodukte und Mehrweggeschirr umzustellen, einen Veggie Day einzuführen oder mit den Dienstherrn Energiesparkonzepte zu erarbeiten, seien Möglichkeiten, den Umweltaspekt im öffentlichen Dienst zu fördern. Auch im Bereich der Entgeltstruktur seien Möglichkeiten vorhanden wie die gezielte Förderung des ÖPNV, Jobräder oder Homeoffice. Kascherus: Konflikte offen diskutieren Stefan A. Kascherus, Jurist und Bundesbeamter, referierte zum Abschluss über „Anzeigepflichten des Personalrats im Spannungsfeld zwischen Schweige- und Loyalitätspflicht gegenüber dem Dienstherrn“. Dabei vermittelte er zunächst einen Eindruck davon, wie umfassend die Verschwiegenheitspflichten von Personalräten sind – und wie folgenschwer ein Verstoß sein kann, droht doch unter Umständen nicht nur ein Ausschluss aus dem Personalrat, sondern sogar ein Strafverfahren. Gleichzeitig sind auch Personalräte weiterhin gegenüber ihrem Dienstherrn zur Loyalität verpflichtet. Auch das Bundespersonalvertretungsgesetz schreibt vor, dass Dienststelle und Personalvertretung „unter Beachtung der Gesetze und Tarifverträge“ vertrauensvoll zusammenarbeiten. So können Interessenkonflikte entstehen, die letztlich doch dazu führen, dass ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht gerechtfertigt oder sogar geboten ist – wenn etwa die Gesundheit anderer Kolleginnen und Kollegen gefährdet ist, wie Kascherus anhand praktischer Beispiele deutlich machte. Als grundsätzlichen Tipp gab der Fachmann mit auf den Weg, mögliche Konflikte in einem ersten Schritt möglichst offen innerhalb der Personalvertretung zu diskutieren. ada, br, dsc, ef Friederike Becker-Lerchner Stefan A. Kascherus 10 AKTUELL dbb magazin | Juni 2025
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