dbb magazin Verkehrsinfrastruktur | Wie Deutschland wieder in Bewegung kommt Interview | Christian Bernreiter, Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz Dossier | Strategien gegen den Sanierungsstau 6 | 2025 Zeitschrift für den öffentlichen Dienst
STARTER Infrastruktur braucht kluge Köpfe Deutschlands Infrastruktur ist das Rückgrat unseres Gemeinwesens. Ein Rückgrat, das vielerorts in die Jahre gekommen ist. Brücken, Schleusen, Straßen, Schienen, Schulen, digitale Netze: Die Herausforderungen bei Sanierung und Modernisierung sind enorm. Oft wird dabei vor allem über Geld gesprochen. Doch die entscheidende Ressource sind die Menschen, die diese Projekte planen, umsetzen und begleiten. Der öffentliche Dienst steht vor einer doppelten Aufgabe: Er muss nicht nur Milliarden investieren, sondern auch die Fachkräfte gewinnen und halten, die diese Investitionen in nachhaltige Verbesserungen verwandeln. Ingenieurinnen, Bauleiter, IT-Expertinnen und Verwaltungsprofis sind gefragt wie nie. Doch der Wettbewerb mit der Privatwirtschaft ist hart. Nur mit attraktiven Arbeitsbedingungen, modernen Strukturen und echter Wertschätzung kann der öffentliche Dienst Talente für sich begeistern und erfahrene Kräfte binden. Die Zukunft der Infrastruktur entscheidet sich nicht allein am Reißbrett oder im Haushaltsausschuss. Sie entscheidet sich in den Personalbüros, in der Führungskultur und im täglichen Miteinander. Investitionen sind weit mehr als Zahlenspiele auf Papier. Die Zeit, wieder in die Menschen zu investieren, die unser Land verbinden, ist jetzt. Damit Deutschlands Infrastruktur fit für die Zukunft wird. br 12 7 14 TOPTHEMA Zukunft der Mobilität 30 AKTUELL NACHRICHTEN Der dbb trauert um Waldemar Dombrowski 4 Ulrich Silberbach tritt als dbb Bundesvorsitzender zurück 4 Rentensystem: dbb lehnt Zwangs- Einheitsversicherung ab 5 BEAMTE Verfassungsschutz: Was die AfD-Einstufung für Beamte bedeutet 6 FACHTAGUNG 15. Forum Personalvertretungsrecht: Beschäftigte und Personalvertretungen im Umbruch 7 FOKUS INTERVIEW Christian Bernreiter, Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz: Der Nachholbedarf bei der deutschen Infrastruktur ist enorm 12 DOSSIER INFRASTRUKTUR Verkehr: Strategien gegen den Sanierungsstau 14 Bundesrechnungshof und BMDV: Streitfall Brückensanierung 18 Staatliche Daseinsvorsorge im Wandel: Einmal Privatisierung und zurück 20 Prof. Dr. Christian Böttger, HTW Berlin: Es fehlt eine systematische Fehleranalyse 22 Sondervermögen: Schulden mit Chancen und Risiken 24 INTERN ONLINE Digitale Bildung: Was packt der Digitalpakt? 28 FRAUEN 19. Frauenpolitische Fachtagung: Frauenrechte stärken und Demokratie bewahren 30 EUROPA Gunther Krichbaum, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt: Wir müssen in Brüssel Farbe bekennen 33 SERVICE Impressum 42 KOMPAKT Gewerkschaften 44 Modelfoto: Colourbox.de AKTUELL 3 dbb magazin | Juni 2025
NACHRICHTEN Ulrich Silberbach tritt als dbb Bundesvorsitzender zurück Ulrich Silberbach hat aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt vom Amt des Bundesvorsitzenden des dbb beamtenbund und tarifunion mit Wirkung zum 23. Juni 2025 erklärt. Ulrich Silberbach ist seit 2011 Mitglied der dbb Bundesleitung und seit 2017 Bundesvorsitzender des gewerkschaftlichen Dachverbands. In einem Brief an den dbb Bundesvorstand erklärt Silberbach: „Wir befinden uns in schwierigen politischen Zeiten, bedingt durch die neue Regierungsbildung und die daraus resultierenden Herausforderungen. Dazu bedarf es einer starken dbb Führung. Der dbb muss mit einem handlungsfähigen Bundesvorsitzenden gegenüber der Politik auftreten können. Dazu sehe ich mich leider in der nächsten Zeit nicht in der Lage, sodass ich mein Amt zur Verfügung stelle, um einen Neubeginn zu ermöglichen.“ Die Wahl eines Nachfolgers beziehungsweise einer Nachfolgerin soll am 23. Juni 2025 im Rahmen einer Sitzung des dbb Bundeshauptvorstandes in Berlin stattfinden. Die Bundesleitung hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, Volker Geyer – bisher stellvertretender dbb Bundesvorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik – für das Amt des dbb Bundesvorsitzenden vorzuschlagen. Sollte Geyer gewählt werden, schlägt die Bundesleitung den stellvertretenden dbb Bundesvorsitzenden Andreas Hemsing als Kandidaten für den Fachvorstand Tarifpolitik vor. Personalie © Andreas Pein Der dbb trauert um Waldemar Dombrowski Der zweite dbb Bundesvorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik Waldemar Dombrowski ist am 18. Mai 2025 unerwartet nach schwerer Erkrankung im Alter von 62 Jahren verstorben. Waldemar Dombrowski wurde am 9. Dezember 1962 in Szczytno geboren, war Witwer und hinterlässt zwei erwachsene Kinder. 1985 schloss er die duale Beamtenausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt ab und arbeitete als Sachbearbeiter, Arbeitsvermittler und Berufsberater beim Arbeitsamt in Dortmund. In dieser Funktion wechselte er 1991 zur Bundesagentur für Arbeit (BA) nach Nürnberg. Seine weitere berufliche Laufbahn umfasste die Stationen Abschnittsleiter, Abteilungsleiter, Abwesenheitsvertretung des Direktors und Kundenbereichsleiter. 1999 schloss er zudem ein Studium der Sozialwissenschaften, Erziehungswissenschaften und Rechtswissenschaften an der Fernuniversität in Hagen als Magister ab und stieg in den höheren Dienst auf. Er war ab 2005 Vorsitzender der Geschäftsführung bei der BA in Hof, ab 2006 bei der BA in Fulda und ab 2012 – bis zu seiner Wahl zum Fachvorstand Beamtenpolitik im Juni 2024 – Vorsitzender der Geschäftsführung der BA in Bad Hersfeld/Fulda. Waldemar Dombrowskis gewerkschaftliche Tätigkeit im dbb beamtenbund und tarifunion begann 1997 als Mitglied in der vbba – Gewerkschaft Arbeit und Soziales. Dort war er Vorsitzender einer Fachkommission und von 1998 bis 2002 stellvertretender Bundesvorsitzender. Am 25. Oktober 2002 wurde er zum Bundesvorsitzenden der vbba gewählt. Dieses Amt legte er im Juni 2024 nach seiner Wahl zum zweiten Vorsitzenden des dbb und Fachvorstand Beamtenpolitik nieder. Auf der Bundesebene des dbb war Dombrowski seit 2002 Mitglied im dbb Bundesvorstand, zeitweise Vorsitzender der Grundsatzkommission für Beamten- und Laufbahnrecht und Mitglied der Grundsatzkommission Arbeitsmarkt und Privatisierte Bereiche. „Waldemar Dombrowski wurde wegen seiner Kompetenz, Erfahrung und seiner Persönlichkeit bei allen Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt. Die Interessen der Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit und des gesamten öffentlichen Dienstes hat er jahrzehntelang mit großer Leidenschaft vertreten. Als Gewerkschafter ging er Konflikten nicht aus dem Weg, bewahrte sich aber immer seine freundliche und verbindliche Art und stand für ein faires Miteinander. Wir sind in dieser schweren Zeit in Gedanken bei seinen Angehörigen und werden Waldemar Dombrowski ein ehrendes Andenken bewahren“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 19. Mai 2025. © Andreas Pein 4 AKTUELL dbb magazin | Juni 2025
Rentensystem dbb lehnt Zwangs-Einheitsversicherung ab Den Vorschlag von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, das selbstständige Versorgungssystem für Beamtinnen und Beamte abzuschaffen, lehnt der dbb ab. Das haben dbb Chef Ulrich Silberbach und dbb Vize Volker Geyer am 12. Mai 2025 in Berlin bekräftigt. Modelfoto: Colourbox.de Bas hatte in einem Interview vorgeschlagen, unter anderem Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach zeigte sich massiv irritiert über die unausgegorenen Vorschläge, da Expertinnen und Experten diese mehrfach als völlig untauglich eingestuft hatten, um die finanziellen Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung zu lösen. Damit würde das eigenständige System der Besoldung und Versorgung zerstört. „Einer Zwangs-Einheitsversicherung erteilen wir eine klare Absage“, sagte Silberbach. „Die Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung hätte vielmehr zur Folge, dass die Dienstherren den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung zusätzlich zu tragen hätten. Gleichzeitig müssten die Bruttobezüge der Beamtinnen und Beamten im Hinblick auf eine Beitragspflicht angehoben werden. Somit wäre eine Systemumstellung insgesamt mit enormen Kosten verbunden. Woher das Geld dafür gerade jetzt kommen soll, sagt Frau Bas nicht.“ Der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Volker Geyer wies gegenüber dem ZDF auf die langfristigen Folgen einer Einbeziehung hin. „Wer einzahlt, hat auch Anspruch auf Leistungen. Einem kurzfristigen Gewinn heute stünden also höhere Kosten in Zukunft gegenüber. Das Ergebnis wäre also bestenfalls ein Strohfeuer, weder nachhaltig noch generationengerecht. Wir erwarten von der neuen Bundesregierung ordentliches Handwerk und realistische Lösungen. Solche Debatten wie diese stehen nicht dafür“, erklärte Geyer. _ dbb erwartet neuen Schub für Digitalisierung Mit der Gründung des Ministeriums setzt die Bundesregierung aus Sicht des dbb ein starkes Zeichen für die Zukunftsfähigkeit des Landes. Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach begrüßte am 7. Mai 2025, dass die Digitalisierung auf Bundesebene mit der notwendigen politischen Priorität versehen wird. Digitalisierung und moderne, effiziente staatliche Strukturen sind kein Selbstzweck, sondern entscheidende Voraussetzungen für einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst, für Bürgernähe und Innovationsfähigkeit. Wir erwarten, dass mit der Gründung des neuen Bundesministeriums eine echte Trendwende eingeleitet wird“, sagte der dbb Chef. Die Digitalisierung eröffne die Möglichkeit, das Leistungsangebot für Bürgerinnen, Bürger und die Wirtschaft sowie die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu verbessern. Silberbach weiter: „Eine leistungsfähige digitale Verwaltung stärkt das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates, ist ein entscheidender Standortfaktor und ein wichtiger Hebel für den Bürokratieabbau.“ Die Politik müsse bei diesem Vorhaben die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in den Mittelpunkt stellen und einbeziehen. „Sie sind die eigentlichen Verwaltungsexperten und wissen genau, wo es bürokratischen Wildwuchs gibt, welche Prozesse und Rahmenbedingungen verändert werden müssen“, erklärte Silberbach. Mit der digitalen Transformation verändern sich natürlich auch die Anforderungen an die Beschäftigten: „Die Digitalisierung der Verwaltung kann nur gelingen, wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über entsprechende Kompetenzen und Qualifikationen verfügen.“ Das neue Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung sollte federführend für den Auf- und Ausbau der digitalen Kompetenzen verantwortlich sein und diese im Rahmen einer Weiterbildungsoffensive für die Beschäftigten vorantreiben. Zu den Rahmenbedingungen gehören für den dbb auch notwendige Veränderungen in der föderalen Aufgabenverteilung. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass der Bund im Bereich der Digitalisierung für ausgewählte Aufgaben mit hohem Standardisierungs- und Automatisierungspotenzial Vollzugsverantwortung übernimmt. Die dafür vorgesehene Grundgesetzänderung sollte schnellstmöglich und in enger Abstimmung mit den Bundesländern federführend durch das neue Ministerium vorangetrieben werden. Zudem soll es sich innerhalb der Bundesregierung und gegenüber den Ländern für eine Stärkung des IT-Planungsrates einsetzen. Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung AKTUELL 5 dbb magazin | Juni 2025
BEAMTE Verfassungsschutz Was die AfD-Einstufung für Beamte bedeutet Im Frühjahr 2025 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Alternative für Deutschland (AfD) offiziell als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Welche Konsequenzen hat das für Beamtinnen und Beamte, die Mitglied der AfD sind? Grundlage für die Einstufung war eine mehrjährige Untersuchung, die unter anderem das in der Partei verbreitete ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, ihre ablehnende Haltung gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte oder muslimischer Konfession sowie zahlreiche Aussagen führender Parteivertretender berücksichtigte. Diese Bewertung stellt kein Parteiverbot dar – dieses kann nur vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden. Beamtinnen und Beamte stehen in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat. Sie verpflichten sich, die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht nur zu achten, sondern sie durch ihr Verhalten aktiv zu vertreten – im Dienst wie auch außerhalb. Diese Treuepflicht ist im Grundgesetz (Art. 33 Abs. 5 GG) verankert und durch verschiedene Beamtengesetze konkretisiert. Besonders wichtig ist: Wer in den Staatsdienst aufgenommen werden will oder bereits verbeamtet ist, muss jederzeit die Gewähr bieten, für diese Grundordnung einzutreten. Verfassungstreue und AfD-Mitgliedschaft Die bloße Mitgliedschaft in der AfD – einer aktuell legalen, nicht verbotenen Partei – stellt für sich allein genommen zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Dienstvergehen dar. Auch besteht für Beamtinnen und Beamte keine generelle Pflicht, ihre Parteimitgliedschaften offenzulegen. Erst wenn konkrete Hinweise auf eine aktive Unterstützung verfassungsfeindlicher Ziele vorliegen – etwa durch das Ausüben von Parteifunktionen, Kandidaturen oder öffentliches Eintreten für bestimmte Inhalte – können disziplinarrechtliche Maßnahmen geprüft werden. Die Rechtsprechung macht deutlich: Nicht die Parteimitgliedschaft allein ist entscheidend, sondern das Verhalten des Beamten oder der Beamtin. Gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass jemand sein Amt nutzt, um verfassungsfeindliche Überzeugungen zu verbreiten, oder seine Dienstpflichten nicht mehr neutral erfüllt, ist dies sehr wohl relevant. In einem solchen Fall müssen disziplinarrechtliche Schritte bis hin zur Entlassung eingeleitet werden. Besonders kritisch wird die Mitgliedschaft in einer vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Partei in Bereichen gesehen, in denen Beamtinnen und Beamte eine besondere Vorbildfunktion haben oder besonders in der Öffentlichkeit stehen – etwa im Schulwesen oder bei der Polizei. Lehrkräfte sollen demokratische Werte glaubwürdig vermitteln. Polizistinnen und Polizisten vertreten den Staat mit hoheitlicher Gewalt. In solchen Berufen ist die Verfassungstreue nicht nur Voraussetzung, sondern elementarer Bestandteil der täglichen Arbeit. Deshalb gelten hier strengere Anforderungen – sowohl bei der Einstellung als auch im bestehenden Beamtenverhältnis. Wann die AfD-Mitgliedschaft zur Hürde für den Staatsdienst wird Alle Bewerberinnen und Bewerber auf ein Beamtenverhältnis müssen verfassungstreu sein. Die sogenannte „Gewährklausel“ (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG) verbietet es dem Staat, Personen zu übernehmen, wenn Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen. Eine bekannte oder aktive AfD-Mitgliedschaft kann dann Anlass für eine genauere Prüfung sein. Hier wird im Einzelfall abgewogen – etwa durch Rückfragen an den Verfassungsschutz oder Gespräche mit dem Bewerber oder der Bewerberin. Wichtig zu wissen ist, dass das BfV nach juristischen Auseinandersetzungen aktuell eine sogenannte Stillhaltezusage abgegeben hat. Das bedeutet: Bis zu einer gerichtlichen Entscheidung darf die AfD nicht mehr öffentlich als „gesichert rechtsextremistisch“ bezeichnet werden – sondern nur noch als Verdachtsfall. Das bringt rechtliche Unsicherheiten mit sich. Es könnte Monate oder sogar Jahre dauern, bis endgültig geklärt ist, ob die Einschätzung Bestand hat. Die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ist ein deutliches Signal, aber kein Parteiverbot. Für Beamtinnen und Beamte bedeutet das: Eine einfache Mitgliedschaft bleibt zunächst ohne direkte Folgen – solange sie nicht mit aktivem Engagement verbunden ist, das gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstößt. Besonders bei sensiblen Berufen wie Lehrkräften, Polizistinnen und Polizisten oder anderen sicherheitsrelevanten Positionen wird allerdings genauer hingeschaut. Der Staat darf und muss erwarten, dass seine Beamtinnen und Beamten nicht nur Gesetze befolgen, sondern auch den demokratischen Grundkonsens des Grundgesetzes glaubwürdig vertreten. eh © Bundesamt für Verfassungsschutz 6 AKTUELL dbb magazin | Juni 2025
FACHTAGUNG Kreutz: Mitbestimmung weiterentwickeln Im Koalitionsvertrag von Union und SPD taucht das Personalvertretungsrecht nicht auf. Dabei warten auf die neue Regierung drängende Herausforderungen, sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende des dbb, Milanie Kreutz, in ihrem Impuls zur Eröffnung des 15. dbb Forums Personalvertretungsrecht. „Änderungen im Bundespersonalvertretungsgesetz sind zwingend erforderlich“, machte Kreutz deutlich. „Das Gesetz sieht keine echte personalvertretungsrechtliche Beteiligung bei ressortübergreifenden Maßnahmen und bei Maßnahmen von gebündelten Serviceeinheiten vor. Das kann so nicht weitergehen. Viele Länder sind hier beispielsweise längst weiter als der Bund. Bei einem Auseinanderfallen von entscheidungsbefugtem Dienststellenleiter und zuständiger Personalvertretung muss die Frage der Beteiligung zwingend gelöst werden. Aus unserer Sicht sind in solchen Fällen die Interessen der betroffenen Beschäftigten am wirkungsvollsten durch die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften zu vertreten.“ Kreutz betonte die grundsätzliche Bedeutung der Mitbestimmung: „Der öffentliche Dienst kann und muss hier Vorreiter sein für eine moderne, vielfältige, agile und digitale Arbeitswelt. Personalvertretungen sind dabei ein entscheidender Baustein. Sie tragen dazu bei, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und das Wohlbefinden aller Beschäftigten zu gewährleisten. Die Kolleginnen und Kollegen, die sich dafür ehrenamtlich einsetzen, verdienen unseren Respekt, denn ihre Arbeit erfordert Zeit und Kraft, Ausdauer und Verlässlichkeit – und manchmal kostet sie auch Nerven. Deshalb danke ich ihnen im Namen der gesamten dbb Bundesleitung für ihre Kreativität, ihre Umsicht, ihr Herzblut und ihr Einfühlungsvermögen.“ Wedde: Risiken und Nebenwirkungen von KI Prof. Dr. Peter Wedde, Experte für Arbeitsrecht und Datenschutz an der Frankfurt University of Applied Sciences, skizzierte in einem kurzweiligen Exkurs die technische Entwicklung im IT-Bereich der vergangenen 40 Jahre vom ersten PC über E-Mail und Internet bis hin zur künstlichen Intelligenz. Wedde gab zu, KI im Jahr 2022 noch „für eine Spielerei“ gehalten zu haben. Heute sei er überzeugt, dass die Technologie „unser Arbeitsleben grundlegend verändern wird“. Noch vor wenigen Jahren erschienen audiovisuelle Formate in der Personalratsarbeit revolutionär – heute sind sie Alltag. Wird es uns mit künstlicher Intelligenz ebenso ergehen? Wie verändern Neue Medien die Kommunikation zwischen Personalvertretungen und Beschäftigten? Im Spannungsfeld zwischen technologischem Fortschritt und permanenter Krisenbewältigung stellt sich zudem die Frage, wie Personalvertretungen Resilienz entwickeln, um Stand und Schritt zu halten. Am 28. und 29. April 2025 diskutierten Expertinnen und Experten im dbb forum berlin über die Zukunft der Personalvertretung. 15. Forum Personalvertretungsrecht Beschäftigte und Personalvertretungen im Umbruch Milanie Kreutz © Kerstin Seipt (12) AKTUELL 7 dbb magazin | Juni 2025
Dabei fielen fast alle KI-Systeme, die heute zum Einsatz kommen, unter den Bereich der „schwachen KI“, die besonders in Bereichen wie Sprache, Diagnostik und Logistik glänzt. Dennoch könne deren Potenzial „zur Büchse der Pandora in Sachen Kontrolle“ werden. Für Wedde ein Grund mehr für Personalräte, Schritt zu halten und sich mit der Technologie zu befassen. Das gelte insbesondere, wenn auch die Arbeitgeberseite KI verwende. Zwar seien viele Einsatzbereiche, in denen KI heute bereits in der Privatwirtschaft zur Anwendung kommt, für den öffentlichen Dienst ausgeschlossen. Wo ihr Einsatz jedoch möglich sei, ergeben sich wie bei jeder neuen Technologie Chancen, Risiken und Nebenwirkungen. So könne KI Arbeitnehmer einerseits von Standardaufgaben entlasten, bei Recherchen unterstützen und helfen, besser verständliche Texte zu formulieren. Andererseits berge sie Gefahren aufgrund mangelnder Transparenz und ihrer Möglichkeit zur Leistungssteuerung. In der Personalratsarbeit könne KI etwa die Korrespondenz verbessern, interne Abläufe optimieren und die Chancengleichheit gegenüber der Dienststellenleitung erhöhen. Sie schaffe aber auch neuen Regelungsbedarf, der Fachwissen erfordert. Ferner müssten Personalräte frühzeitig und umfassend über geplante KI-Anwendungen informiert werden, um ihre Beteiligungsrechte effektiv wahrnehmen zu können. Dies betrifft insbesondere Systeme, die Einfluss auf Personalentscheidungen oder die Überwachung von Beschäftigten haben. „Bildung wird plötzlich wieder sehr wichtig“, sagte Wedde und ermunterte die Tagungsteilnehmer, Fortbildungen zur KI einzufordern und zu nutzen, um selbst mitgestalten zu können. Panik sei hingegen fehl am Platze, „denn am Ende ist KI auch nur Software; sie denkt nicht logisch, sie rechnet nur schnell“. Gronimus: Auch online gelten Recht und Billigkeit Rechtsanwalt Dr. Andreas Gronimus beleuchtete die juristischen Grundlagen der Kommunikation zwischen Personalvertretungen und Beschäftigten. Zwei Aspekte stehen dabei im Fokus: Verschwiegenheitspflicht und Datenschutz. Besonders bei weit gestreuten Formaten wie Flugblättern oder Chats sei darauf zu achten, dass nur zulässige Informationen weitergegeben werden. Beim Datenschutz bleibt die Dienststelle verantwortlich – auch wenn der Personalrat die Vorschriften einhält. Das birgt Haftungsrisiken für beide Seiten. Viele Regelungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) stammen noch aus der Prä-Internet-Ära und wurden erst in jüngerer Zeit aktualisiert. Gronimus zeichnete die Entwicklung der Kommunikationswege vom klassischen Aushang bis zu E-Mails, PDF und Intranetbeiträgen nach. Trotz digitaler Alternativen warnte er vor einem vollständigen Verzicht auf analoge Formate: „Vergessen Sie nicht den Teil der Belegschaft, der nicht digital veranlagt ist.“ Digitale Kanäle erhöhen die Reichweite, stehen jedoch im Wettbewerb mit zahlreichen anderen Informationen. Um wahrgenommen zu werden, sei eine kompakte Darstellung entscheidend. „Leserinnen und Leser entscheiden innerhalb von drei Sekunden anhand der Überschrift, ob sie weiterlesen“, so Gronimus, „und innerhalb von fünf bis zehn Sekunden anhand des Teasers, ob sie sich dem ganzen Artikel widmen.“ Regelmäßige Veröffentlichungen könnten helfen – allerdings nur mit der nötigen Substanz: „Fragen Sie sich, ob Sie überhaupt liefern können, bevor Sie ein Fass aufmachen.“ Noch wenig geregelt ist der Einsatz von Messengerdiensten. Voraussetzung ist die ausdrückliche Zustimmung der Dienststelle. Trotzdem bleibt das Risiko, dass interne Inhalte unkontrolliert weitergegeben werden – wie jüngst bei einer Chatgruppe des US-Verteidigungsministeriums. Auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) sei rechtlich nicht abschließend geklärt. Gronimus mahnt: „Das Problem mit KI ist, dass Sie nicht wissen, wo Sie denken lassen.“ KI-Texte könnten nützlich sein, müssten aber sorgfältig geprüft werden – sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf Urheberrechte. Herausfordernd ist zudem die passive Kommunikation – also die Kanäle, über die Beschäftigte den Personalrat kontaktieren. Hier seien Vertraulichkeit und ein sicherer Umgang mit Kontaktdaten essenziell, etwa bei E-Mails oder Briefen. Sprechstunden per Video oder Telefon bieten zwar Erreichbarkeit, schaffen aber keine rechtliche Grundlage für mobiles Arbeiten. Und auch in sozialen Netzwerken müsse ohne aktive Moderation „Recht und Billigkeit“ gewahrt bleiben – jede Form der Moderation bedeute zusätzlichen Aufwand für Datenschutz und Zeitmanagement. Workshops: Keine Angst vor Fehlern Livia Kosch, Vorsitzende des örtlichen Personalrats Köln beim Bundesverwaltungsamt und vbob Mitglied, fragte die Teilnehmenden im Workshop „Fünf Jahre Videoschalte – was will man mehr!?“ und widmete sich weiterhin problematischen Themen, wie der Gültigkeit von Andreas Gronimus Peter Wedde 8 AKTUELL dbb magazin | Juni 2025
Abstimmungen während Videokonferenzen. Was passiert, wenn Personalratsmitglieder aus technischen Gründen nicht an Abstimmungen teilnehmen können? Wie sind geheime Abstimmungen auch in diesen Formaten möglich? Organisationsberater Dr. Joey-David Ovey diskutierte mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern seines Workshops „Ein Kinderspiel? Personalratstätigkeit in Teilzeit und im Homeoffice“ Freistellungsproblematiken von Personalratsmitgliedern, zunehmende Aufgabendichte und die Balance von Personalratsarbeit und Facharbeit. Der Workshop von Rechtsanwältin Kerstin Solaße von der dbb akademie zu „Dienstvereinbarungen KI – Zähmung einer widerspenstigen Technologie“ war auch der mit Abstand bestbesuchte. Solaße beruhigte die zahlreichen Fragesteller: Personalräte haben mit dem schrittweise in Kraft tretenden EU AI Act und der DSGVO starke, weltweit einzigartige Gesetze an ihrer Seite, die Dienstherren bereits heute Schulungs-, Informations- und Dokumentationspflichten auferlegen. Informationen darüber, welche KI in welcher Form und mit welcher Wirkungsweise in der eigenen Behörde eingesetzt werden soll, seien die Grundlage, auf der Datenschutzfolgeabschätzungen und Einschätzungen zu drohenden Gefahren für die Belegschaft vorgenommen werden könnten. Dass die so erarbeiteten Dienstvereinbarungen bei der rasanten Entwicklung ebenso rasch zu veralten drohen, könne durch Rahmendienstvereinbarungen mit aktualisierbaren Anlagen ausgeglichen werden, schlug Solaße vor und rief dazu auf, keine Regelungsscheu zu haben: „Die Entwicklung ist im Fluss. Man darf da auch Fehler machen.“ Knorz: Vertrauensvoll auch im Streitfall Zu Beginn ihres Vortrags „Keine Einigung trotz vertrauensvoller Zusammenarbeit – Chancen und Risiken des Stufen- oder Gerichtsverfahrens im Personalvertretungsrecht“ fragte Nicole Knorz, Rechtsanwältin im Bereich Arbeits- und Beteiligungsrecht, nach den persönlichen Erfahrungen der Anwesenden: „Wie haben Sie in einem vergleichbaren Fall entschieden?“ Nur wenige gaben an, den Gang zur Einigungsstelle oder vor das Verwaltungsgericht erwogen zu haben, nur ein einziger Personalratsvertreter habe auch tatsächlich geklagt. Knorz identifizierte drei mögliche Kategorien von Streitfällen und zeigte, in welchem Einzelfall welche Reaktion ratsam sei. Zunächst könne es Streit um die Frage geben, ob der Personalrat überhaupt an einer Entscheidung zu beteiligen sei. Hier könne der Gang vor das Verwaltungsgericht für beide Seiten Klarheit schaffen. In den beiden anderen möglichen Fällen stehe die Zuständigkeit des Personalrats zwar außer Frage, es herrsche aber entweder Uneinigkeit über die konkrete Umsetzung – dann solle die Einigungsstelle angerufen werden, oder es gebe Unsicherheiten bei der Einordnung des betreffenden Tatbestandes. Neben der notwendigen, aber teuren juristischen Prüfung empfahl Knorz Schulungen für die Mitglieder der betroffenen Personalräte. Die Juristin sparte die Nachteile der einzelnen Verfahren jedoch nicht aus: lange Verfahrensverläufe, während derer sich die Rechtsgrundlage für die Entscheidungen auch ändern könne, hohe Beratungs- und Verfahrenskosten. Stets sollten, ebenfalls unter professioneller Hilfe, die Erfolgsaussichten gegen die Verfahrensrisiken abgewogen werden. Wer aber die Auseinandersetzung meide, weil er auf der Gegenseite einen Vertrauensverlust befürchte, müsse sich fragen, wie es um ebendieses Vertrauensverhältnis bestellt sei. Rigotti: Ziele müssen erreichbar bleiben Prof. Dr. Thomas Rigotti, Arbeitsgruppenleiter am Leibniz-Institut für Resilienzforschung und Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, stellte zentrale Ansätze zur Förderung von Resilienz am Arbeitsplatz vor. Grundlegend sei das Verständnis, dass Resilienzkapazitäten individuell unterschiedlich ausgeprägt sind. Im Alltag treffen diese auf Stressoren und Widrigkeiten. Dann greifen Resilienzmechanismen und Bewältigungsstrategien. Ein resilientes Ergebnis zeigt sich in einer positiven Anpassung an die Belastung – je nach Intensität, Dauer und Häufigkeit der Stressoren sowie individueller Resilienz kann dies zur erfolgreichen Bewältigung, Adaption oder Erholung führen, aber auch zu Sensitivierung oder gesundheitlicher Verschlechterung. Rigotti benannte vier zentrale Faktoren zur Resilienzförderung: Stressbewertung, Zielkalibrierung, Stressinokulation und Erholung. Bei der Stressbewertung geht es zunächst darum, Stressoren zu erkennen und ihre Relevanz zu bewerten. Danach werden die Situation und verfügbaren Ressourcen eingeschätzt, was zu einer Joey-David Ovey Thomas Rigotti Kerstin Solaße Livia Kosch Nicole Knorz © Kerstin Illner AKTUELL 9 dbb magazin | Juni 2025
(Neu-)Bewertung führen kann. Die subjektive Perspektive spielt dabei eine große Rolle – was in einer Dienststelle als „normal“ gilt, kann in einer anderen als erheblicher Stressor wirken. Den Nutzen der Zielkalibrierung verdeutlichte Rigotti mit einem Zitat von Prof. em. Dr. Norbert K. Semmer (Universität Bern): „Stress hat mit der erlebten oder erwarteten Vereitelung von Zielen zu tun.“ Stress entstehe, wenn Ziele unerreichbar scheinen. Daher sei es entscheidend, dass Arbeit so gestaltet wird, dass Ziele erreichbar bleiben. Arbeitgeber sollten gemeinsam mit Beschäftigten Zielvereinbarungen treffen, statt Zielvorgaben einseitig festzulegen – ein Aspekt, der laut Rigotti häufig vernachlässigt werde. Die Strategie der Stressinokulation verglich Rigotti mit einer „Stressimpfung“: Durch kontrolliertes Aussetzen stressiger Situationen könne Resilienz erlernt werden – ein Befund aus mehreren seiner Studien. Die Erholung ist schließlich laut Rigotti das „letzte Puzzleteil“ im Umgang mit Stress. Entscheidend sei die Qualität des Erlebens. Er nannte vier Elemente wirksamer Erholung: Freude an der Tätigkeit, Kontrolle über Zeit und Leben, „Mastery“ – also das Gefühl von Fortschritt und Lernen – sowie psychische und physische Distanz zum Arbeitsalltag. Alle vier Aspekte benötigen soziale Unterstützung als „Schmiermittel“. Hier komme insbesondere den Personal- und Betriebsräten eine Schlüsselrolle zu. Sie informieren, vermitteln, absorbieren Spannungen – und sind selbst stark belastet. Deshalb sei auch für sie Resilienzaufbau essenziell. Rigottis Appell: In Krisensituationen sollte man sich nicht scheuen, Unterstützung anzunehmen. Becker-Lerchner: Umweltschutz braucht Akteure Friederike Becker-Lerchner, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt im Arbeits- und Personalvertretungsrecht, hat sich in ihrem Impulsvortrag mit dem Thema „Das umweltpolitische Mandat des Personalrats – Wunsch oder Realität?“ beschäftigt. Haben Personalvertretungen ein Mandat, umweltpolitische Anliegen innerhalb der Dienststelle zu vertreten, und ist dieses Mandat eher theoretischer Natur oder findet es Anwendung in der Praxis? Zwar sei Umweltschutz im Bundespersonalvertretungsgesetz nicht erwähnt. Das bedeute aber nicht, dass es keine Möglichkeiten für Personalvertretungen gebe, umweltpolitische Aspekte in ihrer Arbeit zu verfolgen. „Im Gegenteil, dieses Themenfeld benötigt Akteure und sollte auch im Personalrat gelebte Realität sein“, unterstrich die Anwältin. Um das umzusetzen, könne der Personalrat bestehende Mitbestimmungsrechte nutzen, denn Umweltschutz sei auch Gesundheits- und Arbeitsschutz, „und in diesen Bereichen greifen die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen natürlich“. Weiterhin sähen die Landespersonalvertretungsgesetze von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Spielräume vor, die interpretatorisch genutzt werden könnten. „Das alles steht und fällt letztlich zwar mit der Offenheit des jeweiligen Dienstherrn gegenüber Neuerungen“, so Becker-Lerchner. Entmutigen lassen sollten sich Personalräte jedoch nicht, sondern bewusst Gestaltungsmöglichkeiten suchen. „Dazu eignet sich besonders der soziale Bereich“, erläuterte die Referentin und gab konkrete Beispiele: Die Kantine auf Bioprodukte und Mehrweggeschirr umzustellen, einen Veggie Day einzuführen oder mit den Dienstherrn Energiesparkonzepte zu erarbeiten, seien Möglichkeiten, den Umweltaspekt im öffentlichen Dienst zu fördern. Auch im Bereich der Entgeltstruktur seien Möglichkeiten vorhanden wie die gezielte Förderung des ÖPNV, Jobräder oder Homeoffice. Kascherus: Konflikte offen diskutieren Stefan A. Kascherus, Jurist und Bundesbeamter, referierte zum Abschluss über „Anzeigepflichten des Personalrats im Spannungsfeld zwischen Schweige- und Loyalitätspflicht gegenüber dem Dienstherrn“. Dabei vermittelte er zunächst einen Eindruck davon, wie umfassend die Verschwiegenheitspflichten von Personalräten sind – und wie folgenschwer ein Verstoß sein kann, droht doch unter Umständen nicht nur ein Ausschluss aus dem Personalrat, sondern sogar ein Strafverfahren. Gleichzeitig sind auch Personalräte weiterhin gegenüber ihrem Dienstherrn zur Loyalität verpflichtet. Auch das Bundespersonalvertretungsgesetz schreibt vor, dass Dienststelle und Personalvertretung „unter Beachtung der Gesetze und Tarifverträge“ vertrauensvoll zusammenarbeiten. So können Interessenkonflikte entstehen, die letztlich doch dazu führen, dass ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht gerechtfertigt oder sogar geboten ist – wenn etwa die Gesundheit anderer Kolleginnen und Kollegen gefährdet ist, wie Kascherus anhand praktischer Beispiele deutlich machte. Als grundsätzlichen Tipp gab der Fachmann mit auf den Weg, mögliche Konflikte in einem ersten Schritt möglichst offen innerhalb der Personalvertretung zu diskutieren. ada, br, dsc, ef Friederike Becker-Lerchner Stefan A. Kascherus 10 AKTUELL dbb magazin | Juni 2025
INTERVIEW Christian Bernreiter, Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz Der Nachholbedarf bei der deutschen Infrastruktur ist enorm Für die Verkehrsinfrastruktur von Bund, Ländern und Gemeinden wird der zusätzliche Investitionsbedarf außerhalb des regulären Bundeshaushalts bis 2030 auf rund 100 Milliarden Euro geschätzt, zuzüglich 65 Milliarden Euro für den öffentlichen Personennahverkehr und 290 Milliarden für die Bahn. Nicht nur die Finanzierung droht zur Dauerbaustelle zu werden. Steuert Deutschland auf das perfekte Verkehrschaos zu? Wir haben in Deutschland einen enormen Nachholbedarf bei der Infrastruktur – insbesondere in die Verkehrsinfrastruktur müssen wir in den kommenden Jahren massiv investieren. Mit dem Sondervermögen ist das endlich möglich. Die 500 Milliarden Euro sind auf zwölf Jahre angelegt, das gibt Planungssicherheit. Und die ist wichtig, damit die dringend benötigten Planungs- und Baukapazitäten geschaffen werden. Klar ist: Wir können nicht jede Brücke gleichzeitig oder das gesamte Bahnnetz auf Wir können nicht jede Brücke gleichzeitig oder das gesamte Bahnnetz auf einmal sanieren. Christian Bernreiter ist Staatsminister im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. © StMB/Atelier Krammer 12 FOKUS dbb magazin | Juni 2025
einmal sanieren. Das muss klug getaktet werden, um die Einschränkungen für alle so gering wie möglich zu halten. Die Perspektive, dass Deutschland in ein paar Jahren wieder richtig rund läuft, gibt uns dabei hoffentlich allen die nötige Geduld, um über die eine oder andere Schwierigkeit hinwegzukommen. Kaputte Gleise, veraltete Weichen, sanierungsbedürftige Bahnhöfe und ein verschlissenes Schienennetz: Experten kritisieren, Geld allein werde die Bahn nicht retten, und fordern grundlegende Reformen. Wie kommt die Bahn wieder auf Kurs? Die Bilanz der Bahn der letzten Jahre ist desaströs. Das Schienennetz ist marode, die Fernzüge waren so unpünktlich wie noch nie und Ende März wurde erst wieder ein dicker Verlust präsentiert. Mit dieser Leistung beschädigt die Bahn den Ruf ganz Deutschlands: Bei der Europameisterschaft letzten Sommer war die Bahn das Symbol dafür, was in Deutschland nicht mehr läuft und wofür wir mal weltbekannt waren. Das ist auch zunehmend eine Belastung für den Wirtschaftsstandort. Die bisherigen Strukturänderungen bei der DB sind unzureichend: Die Verkehrsministerkonferenz, deren Vorsitzender ich seit Anfang des Jahres bin, hat den richtigen Weg aufgezeigt. Die letzte Bundesregierung war hier leider viel zu zögerlich. Umso wichtiger, dass wir diese grundlegende Reform jetzt zeitnah angehen. Ein wichtiges Ziel muss dabei sein, dass das Unternehmen wieder mehr in Qualität und Robustheit von Netz und Stationen investiert. Mit Sicherheit muss man aber auch die Strukturen hinterfragen. Das deutsche Wasserstraßensystem steht vor der dringenden Aufgabe, seine Infrastruktur zu modernisieren, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen, ökologische Belastungen zu reduzieren und politische sowie finanzielle Rahmenbedingungen zu verbessern. Wie kann Deutschland seine Wasserstraßen konkurrenzfähig halten? Wir müssen unsere Wasserstraßen weiter ausbauen – in Bayern sind wir da an Main und Donau auf einem guten Weg. Zudem müssen wir weiter in unsere Hafeninfrastruktur investieren. Angesichts der häufiger auftretenden Niedrigwasserphasen brauchen wir außerdem ein kluges Steuerungsmanagement aus Staustufen und Schleusen, um die Befahrung möglichst ganzjährig zu ermöglichen. Redundante Systeme beispielsweise bei Schleusenanlagen schaffen die nötige Sicherheit, um die Wasserstraßen konkurrenzfähig zu halten. Zusammengefasst: Auch in die Wasserstraßen müssen wir kräftig investieren. Wir können es uns nicht leisten, uns auf einzelne Verkehrsbereiche wie Schiene oder Straße festzulegen – wir brauchen die Auswahl, damit die jeweils ideal passende Transportmöglichkeit gewählt werden kann. So gewinnt der Wirtschaftsstandort Deutschland. Der Föderalismus bietet Vorteile wie Bürgernähe, Innovationsförderung und regionale Anpassungsfähigkeit, kann aber bei der Durchführung von Infrastrukturprojekten auch Nachteile haben: komplexe Zuständigkeitsstrukturen, Abstimmungsprobleme und unterschiedliche Interessenlagen führen zu Verzögerungen und Ineffizienzen. Könnte eine Föderalismusreform nach dem Vorbild der Schweiz mit einer Kombination aus klaren Zuständigkeiten, schlanker Bürokratie sowie regionaler Verantwortung und nationaler Koordination Abhilfe schaffen? Hier sehe ich bei der Infrastruktur kein Problem. Für die Bahninfrastruktur ist die DB InfraGo zuständig. Die plant und baut. Das Eisenbahnbundesamt genehmigt. Für Autobahnen ist die Autobahn GmbH des Bundes zuständig, für Bundesstraßen die Länder für den Bund in Bundesauftragsverwaltung, für die Landes- und Staatsstraßen die Länder und so weiter. Das Baurecht gilt hierfür in ganz Deutschland gleichermaßen. Insofern gibt es keine unterschiedlichen Zuständigkeitsstrukturen. Im Koalitionsvertrag wurde außerdem vereinbart, dass der Bürokratieabbau generell, aber insbesondere für Infrastrukturprojekte von überragendem öffentlichen Interesse, massiv angepackt wird. Viele Infrastrukturprojekte im Verkehrssektor stoßen auf Widerstand bei der lokalen Bevölkerung, beispielsweise der Ausbau von ICE-Strecken in Niedersachsen oder der Autobahnbau in Berlin. Dadurch können sich erhebliche Verzögerungen ergeben. Ist mehr oder weniger Bürgerbeteiligung der Schlüssel zur Beschleunigung? Der Versuch, Großprojekte über die Köpfe der lokalen Bevölkerung hinweg durchziehen zu wollen, wäre nicht klug. Wenn man die Menschen verliert, riskiert man die eigene demokratische Legitimation. Der Ansatz muss daher sein, die Menschen vor Ort möglichst frühzeitig einzubinden. Bürgerbeteiligung kann dabei auch einen echten Mehrwert für das Projekt bedeuten. Sobald aber Einzelne oder Verbände nur noch den eigenen Vorteil erstreiten wollen oder in ideologische Fundamentalopposition gehen, ist eine Grenze erreicht. Dann braucht es Rückgrat der Entscheider, den eingeschlagenen Weg durchzuziehen, sonst riskiert man den Projekterfolg. Verzögerungen bei der Sanierung gibt es auch, weil es an den notwendigen Fachkräften fehlt, die anstehende Projekte planen und umsetzen. Sehen Sie vor diesem Hintergrund in der Ende 2025 beginnenden Einkommensrunde mit den Ländern eine Chance, dem Fachkräftemangel der Länder effektiv zu begegnen, indem der öffentliche Dienst als Arbeitgeber attraktiver wird? Wir haben in Deutschland einen akuten Fachkräftemangel: Da muss auch der öffentliche Dienst als attraktiver Arbeitgeber auftreten, um die besten Köpfe zu gewinnen – dafür braucht es sicherlich eine angemessene Entlohnung. Das Einkommen ist aber nur ein Faktor: Angesichts der aktuell abkühlenden Konjunktur stellen wir fest, dass insbesondere die Arbeitsplatzsicherheit als Anziehungspunkt nicht zu unterschätzen ist. Gewinnen kann man aber beispielsweise auch mit den abwechslungsreichen Aufgaben und dem Mehrwert, den man der Gesellschaft liefert. Das müssen wir wieder mehr in den Vordergrund stellen. _ Wenn man die Menschen verliert, riskiert man die eigene demokratische Legitimation. FOKUS 13 dbb magazin | Juni 2025
DOSSIER INFRASTRUKTUR Verkehr Strategien gegen den Sanierungsstau Straße, Schiene, Wasser, Luft: Überall besteht enormer Handlungsbedarf für Sanierung, Modernisierung und Neubau, betonen die zuständigen dbb Fachgewerkschaften. Der Koalitionsvertrag weist in die richtige Richtung, aber entscheidend ist, dass den Worten schnellstmöglich Taten folgen. Denn Deutschland muss wieder in Bewegung kommen. Schienen, Weichen und Stellwerke sind marode, die Bahn verzeichnet Negativrekorde, was die Pünktlichkeit betrifft. Beziehungsweise: Rekorde in Unpünktlichkeit. 2024 kamen laut Bahnstatistik 37,5 Prozent der Fernzüge mehr als sechs Minuten zu spät – zu bedenken ist, dass ausgefallene Züge nicht in die Statistik eingehen. Jüngst hat die Schweizer Bundesbahn (SBB) im Grenzverkehr – von der Unpünktlichkeit der Nachbarn genervt – zwei Verbindungen nach Deutschland gekappt. Auf den Autobahnen sieht es nicht besser aus. Baustellen, kaputte Straßen und Brücken bremsen den Verkehr aus. Pendlerinnen und Pendler starten und schließen ihren Berufsalltag im Stau, in der Logistik verursacht jede Stunde Wartezeit finanzielle Verluste. Lkw müssen Ausweichstrecken nutzen – oftmals Straßen, die nicht für tonnenschwere Fahrzeuge ausgelegt sind. Die Folgen: noch mehr kaputte Straßen. Und von Lärm geplagte Anwohnerinnen und Anwohner in Ortschaften, die unter den vermeintlich vorübergehenden Durchfahrten leiden. „Die Probleme in der Infrastruktur sind nicht bloß eine Belastung für die Wirtschaft, sie tragen auch ganz wesentlich dazu bei, dass das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates sinkt“, sagt Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des dbb. Laut der dbb Bürgerbefragung 2024 halten 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger den Staat für überfordert. Silberbach: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir aktuell einen besseren Wert verzeichnen würden, im Gegenteil. Von der neuen Bundesregierung erwarte ich, dass sie alles unternimmt, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Das ist ein wesentlicher Baustein, um das Vertrauen der Menschen und der Wirtschaft in die Handlungsfähigkeit des Staates zurückzugewinnen!“ Was steht im Koalitionsvertrag? Union und SPD wollen die offenen Baustellen angehen: „Wir werden mit Investitionen in die Infrastruktur dafür sorgen, dass die Bahn wieder pünktlich fährt, die Straßen und Brücken wieder in einem guten Zustand sind“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die finanzielle Grundlage hierfür soll das Sondervermögen für die Infrastruktur bilden, das sich auf 500 Milliarden Euro beläuft. Die Koalitionäre wollen bei der Planungs- und Baubeschleunigung „mutige Wege gehen“. Damit meinen sie unter anderem Bürokratieabbau und die Beschleunigung von Verwaltungsvorgängen. Der Koalitionsvertrag listet verschiedene Stellschrauben: Es soll „ein einheitliches Verfahrensrecht (…) für Infrastrukturvorhaben“ geben; zudem wollen Union und SPD formalisierte Verfahren flexibilisieren, Verfahrensstufen reduzieren und Doppelprüfungen abbauen. Nicht zuletzt erklären die Parteien: Der „identische, der erweiterte und der vollseitige Ersatzneubau bei Infrastrukturvorhaben soll von der Pflicht eines Planfeststellungsverfahrens ausgenommen“ und die Plangenehmigung zum Regelverfahren werden. Ergo: Grundsätzlich soll es künftig schneller und einfacher zugehen. Foto: Frank Gärtner/Colourbox.de 14 FOKUS dbb magazin | Juni 2025
Im dbb sind mit der Fachgewerkschaft der Straßen- und Verkehrsbeschäftigten (VDStra.), der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), dem Fachverband Wasserstraßen- und Schifffahrtverwaltung (FWSV) sowie der Pilotenvereinigung Cockpit (VC) gleich vier Organisationen vertreten, die Infrastrukturthemen kritisch begleiten und ihre Expertise einbringen. Egal ob auf Straße, Schiene, Wasser oder in der Luft – das Ziel aller ist es, eine dauerhafte, auskömmliche und gemeinwohlorientierte Finanzierung im Sinne einer leistungsfähigen Infrastruktur sicherzustellen. „Private Investitionen bringen zwangsläufig private Interessen mit sich, die diesem Ziel widersprechen“, sagt dbb Chef Silberbach. „Deshalb sollten staatliche Aufgaben nur durch staatliche Mittel finanziert werden.“ Ob das mit der Mehrheit von Union, SPD und Grünen vor dem Regierungswechsel beschlossene Sondervermögen von 500 Milliarden Euro ausreicht? Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ist skeptisch: Allein bis 2030 bestehe ein Investitionsbedarf in die Verkehrsinfrastruktur von mehr als 100 Milliarden Euro jährlich. Die Berechnung veröffentlichte das IW im Oktober 2024. „Wenn das Geld nicht reicht, muss sich die Politik unbedingt rechtzeitig um Folgefinanzierungen Gedanken machen, damit wir keine Zeit verlieren“, unterstreicht Silberbach. Außerdem erwartet der Bundesvorsitzende, dass die Merz-Regierung die Verteilung der Mittel auf die einzelnen Verkehrsträger schnellstmöglich konkretisiert. Dabei dürfe es keine Ellenbogenmentalität geben: „Was wir brauchen, ist eine integrierte Betrachtung. Die Infrastruktur ist ein Gesamtkonstrukt, in der vieles ineinandergreift und jeder Verkehrsträger seine Daseinsberechtigung hat“ – das äußert sich zum Beispiel darin, dass Wasser- und Schienenverkehr dazu beitragen, den Güterverkehr auf den Straßen zu reduzieren, wodurch sich der Materialverschleiß verringert und die Klimabilanz verbessert. Doch losgelöst von der Gesamtbetrachtung sehen die Verkehrsträger auch Großbaustellen, die vor allem ihre eigenen Zuständigkeiten betreffen. Nachfolgend beziehen sie Stellung. Straße: Mauteinnahmen für die Autobahn GmbH Das steht im Koalitionsvertrag: „Die Autobahn GmbH wird begrenzt kreditfähig und ihr werden Lkw-Mauteinnahmen zur Verfügung gestellt (Einnahmekompetenz). Für die Straße werden Finanzmittel zur Auflösung des Sanierungsstaus insbesondere bei Brücken und Tunneln zur Verfügung gestellt. Es wird geprüft, wie sich die Autobahn GmbH dauerhaft stabil finanzieren kann. Eine umfassende parlamentarische Kontrolle der Mittel wird gewährleistet.“ So kommentiert die Fachgewerkschaft: „Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Bundesregierung Mauteinnahmen der Autobahn GmbH zur Verfügung stellen will“, sagt Hermann-Josef Siebigteroth, Vorsitzender der VDStra. Die Mittel seien dringend notwendig und es sei nur konsequent, sie in den Bau und die Instandhaltung der Autobahnen und Bundesstraßen zu investieren. Längst überfällig seien auch Investitionen in Ausstattung und Personal. Aktuell sei es nicht möglich, alle offenen Stellen zu besetzen, was die Beschäftigten stark belastet. „Immer weniger Schultern müssen immer mehr Arbeit stemmen“, beklagt Siebigteroth. Um die Personallücke zu schließen, müsse sich der öffentliche Dienst schneller an die sich verändernden Realitäten auf dem Arbeitsmarkt anpassen. Das gilt mit Blick auf die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Digitalisierung, Entlohnung sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Insgesamt müsse folgendes Credo gelten: „Wer rechtzeitig Risse in Straßen fachgerecht verschließt, braucht sich später nicht um Schlaglöcher zu kümmern.“ Auch die im Koalitionsvertrag angekündigte Prüfung der Finanzierung der Autobahn GmbH kommentiert der VDStra.-Vorsitzende: „Das Ergebnis ist noch vollkommen offen, trotzdem möchte ich schon jetzt unterstreichen, dass wir eine Privatisierung der Infrastruktur ablehnen.“ Es müsse stets gewährleistet sein, dass Finanzmittel direkt in den Bau und die Instandhaltung der Straßen fließen. „Aufwendige Vertragsverhältnisse mit externen Dienstleistern verursachen schon jetzt zu hohe Verwaltungskosten.“ Schiene: Bahnreform aufs Gleis bringen Das steht im Koalitionsvertrag: „Um sicherzustellen, dass das Geld des Bundes künftig bei der Schieneninfrastruktur ankommt, (…) wollen wir mittelfristig eine grundlegende Bahnreform umsetzen. Wir werden die DB InfraGO vom DB-Konzern weiter entflechten, innerhalb des integrierten Konzerns. (…) Der Fortbestand des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags (BEAV) zwischen DB-Konzern und InfraGO wird geprüft. (…) Das Trassenpreissystem reformieren wir.“ So kommentiert die Fachgewerkschaft: „Die aktuelle Konzernstruktur verhindert den Ausbau der Infrastruktur“, sagt GDLFoto: Colourbox.de FOKUS 15 dbb magazin | Juni 2025
Chef Mario Reiß. „Mit den Folgen kämpfen die Menschen, die mit Verspätungen und Ausfällen konfrontiert sind, tagtäglich.“ Deshalb sei eine Bahnreform mehr als überfällig. Die GDL fordert, das gesamte Schienennetz, die Bahnhöfe und alle weiteren Infrastruktureinheiten, darunter die DB Energie, aus dem Konzern herauszulösen und in eine Gesellschaft der öffentlichen Hand zu überführen. „Aktuell kann der Konzern Gelder hin- und herschieben, wie es ihm gerade passt“, kritisiert Reiß. „Eine zielgerichtete Verwendung öffentlicher Mittel sieht anders aus, Investitionen werden aufgeschoben und versickern im Konzern.“ Um das künftig zu verhindern, fordert die GDL die Gründung einer GmbH öffentlichen Rechts oder einer anderen Rechtsform unterhalb des Bundesverkehrsministeriums, das die Planung, Steuerung und Kontrolle staatlicher Investitionen übernimmt. Die Bahnreform selbst soll eine Regierungskommission beaufsichtigen. Was der GDL ebenfalls ein Dorn im Auge ist: die stark steigenden Trassenpreise, die jährlich neu festgelegt werden. Es handelt sich um die Kosten, die Wettbewerber der Bahn für die Nutzung des Schienennetzes zahlen. „Faktisch beinhalten die Trassenpreise sämtliche Ausgaben des Infrastrukturbetreibers DB“, sagt Reiß. Es sei absurd, dass ein Unternehmen seinen Wettbewerbern die eigenen Betriebs- und Verwaltungskosten aufbürden kann. „Das muss die Politik dringend ändern!“ Wasserstraßen: volles Potenzial ausschöpfen Das steht im Koalitionsvertrag: „Für die Ertüchtigung der Infrastruktur aus Wasserstraßen, Schleusen, See- und Binnenhäfen werden wir für notwendige Investitionen eine auskömmliche zusätzliche Finanzierung mit Planungssicherheit organisieren. Dafür wird ein Finanzierungs- und Realisierungsplan entwickelt. Wir unterstützen weiterhin die Transformation der Wasserstraßen und Häfen. Die Nationale Hafenstrategie wird umgesetzt.“ So kommentiert die Fachgewerkschaft: „Ich hoffe, dass sich unsere Vorstellungen von notwendigen Investitionen mit denen von Union und SPD decken“, betont Egon Höfling, Bundesvorsitzender des Fachverbands Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (FWSV). Im Koalitionsvertrag werde zwar von „Ertüchtigung der Infrastruktur“ gesprochen, doch was das genau beinhalten soll, bleibt vage. Dreh- und Angelpunkt ist für den FWSV eine ausreichende Finanzierung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Höfling: „Wir müssen alles dafür tun, um die Wahrnehmung der Wasserstraßen in der Öffentlichkeit zu verbessern, denn in ihnen schlummert enormes Potenzial“ – beispielsweise mit Blick auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr, die Erschließung neuer Transportgüter und die Anbindung an andere Verkehrsträger. Erreichen lässt sich dieses Ziel durch konsequente Digitalisierung, bei der zu gründende Innovationszentren für Wassertransport eine Rolle spielen könnten, Bürokratieabbau sowie bessere Arbeitsbedingungen, um Fachkräfte zu gewinnen. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung kümmert sich um einen reibungslosen Schiffsverkehr auf bundesweit 7 300 Kilometern Binnenwasserstraße und 23 000 Quadratkilometern Seewasserstraße. Teil der Infrastruktur sind unter anderem mehr als 300 Schleusen- und Wehranlagen, Sturmflutsperrwerke und diverse Brücken. „Nur wenn alles in Schuss ist, können die Bundeswasserstraßen ihrer Rolle als Rückgrat der deutschen Wirtschaft gerecht werden“, sagt Höfling. Rund zwei Drittel des deutschen Im- und Exports werden über die Seehäfen abgewickelt. Um dies auch künftig zu gewährleisten, haben sich Bund und Länder bereits in der Nationalen Hafenstrategie darauf verständigt, die Häfen zukunftsfähig zu machen. Höfling resümiert: „Die Strategie ist ein wichtiger Baustein, um Planungen, deren Realisierung sowie Finanzierungen sicherzustellen.“ Luft: Drehkreuze und Fernflughäfen an die Schiene bringen Das steht im Koalitionsvertrag: „Die luftverkehrsspezifischen Steuern, Gebühren und Abgaben wollen wir reduzieren und die Erhöhung der Luftverkehrsteuer zurücknehmen. Die über das EU-Maß hinausgehende Power-to-Liquid-Quote (PtL) scha en wir sofort ab. (PtL ist ein Verfahren, um flüssige Kraftstoffe aus Strom herzustellen, der aus regenerativen Quellen stammt; Anmerkung der Redaktion) Wir sorgen dafür, dass europäische Fluggesellschaften bei der Sustainable-Aviation-Fuels-(SAF-)Quote nicht schlechtergestellt werden als außereuropäische. Die Hälfte der nationalen Einnahmen aus dem luftfahrtinduzierten europäischen Foto: Colourbox.de Foto: Colourbox.de 16 FOKUS dbb magazin | Juni 2025
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==