dbb magazin 5/2025

Ausnahme. An Universitäten waren 93 Prozent der nicht promovierten Mitarbeitenden, an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften 63 Prozent befristet beschäftigt. Vage Perspektiven Das Fazit: Es mangelt an attraktiven und verlässlichen Perspektiven. Befristungen prägen das Leben der Beschäftigten spürbar – besonders dann, wenn ein Zeitvertrag dem nächsten folgt. Die Folgen: Familiengründungen werden aufgeschoben, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben leidet – vor allem für junge Frauen. Hinzu kommen Einschränkungen bei der Lebensplanung, etwa beim Erwerb von Wohneigentum. Vor diesem Hintergrund hatte sich die Ampelkoalition die Reform des WissZeitVG vorgenommen. Die im Jahr 2023 vorgelegten Eckpunkte stießen jedoch auf breite Kritik und wurden kurzerhand zurückgezogen. Der überarbeitete Gesetzentwurf wurde 2024 vom Bundeskabinett fast unverändert beschlossen und in erster Lesung im Bundestag behandelt – trotz zahlreicher offener Fragen. Der dbb begleitete den Prozess kontinuierlich und brachte seine Forderungen ein. Besonders betonte er die Bedeutung einer auskömmlichen Grundfinanzierung sowie die Schaffung von Dauerstellen unterhalb der Professur als zentrale Voraussetzungen für eine gelingende Reform. Am Ende blieb der große Wurf aus: Der Gesetzesentwurf fiel dem Bruch der Regierungskoalition zum Opfer – und mit ihm die Chance, die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft nachhaltig zu verbessern. „Es ist erfreulich, dass CDU/CSU und SPD mit dem ,1 000-Köpfe-Programm‘ die Wissenschaftsfreiheit stärken und das Wissenschaftszeitvertragsgesetz novellieren möchten. Bei der Novellierung muss auf den bisherigen Fortschritten aufgebaut werden und ein besonderes Augenmerk auf der Reform der Postdoc-Phase liegen. Nur so können endlich nachhaltige Perspektiven in der Wissenschaft gewährleistet werden“, betont Prof. Dr. Thorsten Köhler, Bundesvorsitzender des Verbands Hochschule und Wissenschaft (vhw). Zeitbombe Demografie Die Forderung nach attraktiven Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen ist keineswegs neu und besteht nicht erst seit der aktuellen Debatte um eine mögliche Aufnahme von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den USA. Beschäftigte, die an Hochschulen dauerhaft tragende Aufgaben übernehmen, haben Anspruch auf verlässliche und langfristige Perspektiven. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel wird der Handlungsbedarf besonders deutlich: Eine aktuelle Auswertung des CHE Centrum für Hochschulentwicklung zeigt, dass in den kommenden zehn Jahren mehr als 40 Prozent der Professuren in Deutschland neu besetzt werden müssen. Der bevorstehende Generationswechsel eröffnet zwar die Chance, den Wissenschaftsbetrieb strukturell zu modernisieren, birgt aber auch ein erhebliches Risiko: Gelingt es nicht, junge Talente im System zu halten und für eine akademische Karriere zu gewinnen, droht ein massiver Verlust an Innovationskraft. Angesichts der komplexen Herausforderungen unserer Zeit braucht es starke Hochschulen, die ihren Beschäftigten verlässliche berufliche Perspektiven bieten. Die Entwicklungen in den USA machen deutlich, welche zentrale Rolle ein leistungsfähiges Wissenschaftssystem für das Funktionieren demokratischer Gesellschaften spielt. Die neue Bundesregierung steht daher in der Verantwortung, die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zügig und nachhaltig zu verbessern. jos Modelfoto: Olena Latkun/Colourbox.de (2) 18 FOKUS dbb magazin | Mai 2025

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==