Tarifvertrag über vom Gesetz abweichende Arbeitnehmervertretungsstrukturen

Eine auf der Grundlage eines unwirksamen Tarifvertrags durchgeführte Betriebsratswahl ist anfechtbar. Ein Tarifvertrag ist dann unwirksam, wenn er vom Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) abweichende Arbeitnehmervertretungsstrukturen bestimmt, ohne den hierfür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen zu genügen (BAG, Beschluss vom 13. März 2013, Aktenzeichen 7 ABR 70/11).

Der Fall

Die beiden Arbeitgeberinnen bieten verschiedene Dienstleistungen an. Sie schlossen gemeinsam mit weiteren verbundenen Unternehmen und der in diesem Bereich organisierenden Gewerkschaft am 11. April 2002 einen Tarifvertrag zur Bildung einheitlicher Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsstrukturen (TV EBS 2002). Nach diesem sind näher bezeichnete Betriebe der Unternehmen an verschiedenen Standorten in der Bundesrepublik zu neun Wahlregionen zusammengefasst, in denen jeweils ein Regionalbetriebsrat gewählt wird. Dieser Zuordnung lag zugrunde, dass die Betriebe unternehmensübergreifend durch Regionalleitungen geführt wurden. Mit Wirkung ab 1. April 2004 wurde die regionale Leitungsstruktur aufgegeben. Durch den am 25. Oktober 2004 geschlossenen TV EBS 2004 wurde gleichwohl die Errichtung von Regionalbetriebsräten fortgeschrieben. Auch eine im März 2010 für die „Region Mitte“ durchgeführte Wahl eines Regionalbetriebsrats fand – entgegen dem Verlangen der Arbeitgeberinnen nach einer Rückkehr zu den gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen – auf der Grundlage des TV EBS 2004 statt. Hiergegen gingen die Arbeitgeberinnen im Wege der Wahlanfechtung vor.

Die Entscheidung

Die Wahlanfechtung hatte Erfolg. Die Wahl hätte nicht auf der Grundlage des TV EBS 2004 stattfinden dürfen. Die Wahl von Betriebsräten erfolgt nach § 1 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich in den Betrieben. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG können aber durch Tarifvertrag „andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen“ bestimmt werden, „soweit dies insbesondere aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder aufgrund anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient.“ Ein Tarifvertrag, der diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist unwirksam. Eine dennoch auf der Grundlage eines solchen Tarifvertrags durchgeführte Betriebsratswahl ist zwar in der Regel nicht nichtig, aber anfechtbar. Der TV EBS ist unwirksam, weil er nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entspricht. Nachdem bereits ab 1. April 2004 die Regionalleitungen abgeschafft waren, dienten die in dem Tarifvertrag bestimmten anderen Arbeitnehmervertretungsstrukturen nicht mehr der wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer.

Das Fazit

Die erfolgreiche Anfechtung einer Betriebsratswahl nach § 19 Abs. 1 BetrVG hat im Gegensatz zur Feststellung der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl keine rückwirkende Kraft, sondern wirkt nur für die Zukunft. Der Betriebsrat bleibt während des Wahlanfechtungsverfahrens im Amt. Seine währenddessen gefassten Beschlüsse und abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen bleiben wirksam.

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