Anhörung des Arbeitnehmers als Voraussetzung einer Verdachtskündigung

Arbeitgeber müssen vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung wegen des schwerwiegenden Verdachts einer strafbaren Handlung den Arbeitnehmer zu den Verdachtsmomenten anhören. Hieran sind aber keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber muss nicht abwarten, bis der Arbeitnehmer die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft eingesehen hat, wenn dieser weiß, was ihm konkret vorgeworfen wird. (BAG, Urteil vom 13. März 2008 - 2 AZR 961/06)

Der Fall

Der Kläger wurde verdächtigt, in elf Fällen die Autoreifen von Mitarbeitern aufgeschlitzt zu haben. Auf deren Strafanzeige hin installierte die Polizei eine Videoüberwachungsanlage. Die Mitarbeiter behaupteten, den Kläger auf dem Video erkannt zu haben. Der beklagte Arbeitgeber erhielt die Ermittlungsakte über das ebenfalls gegen den Kläger laufende Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft. Daraufhin unterrichtete der Beklagte den Kläger von seiner Kündigungsabsicht. Dieser kannte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe aus dem Strafverfahren und teilte dem Beklagten mit, sich nicht zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Auf die verhaltensbedingte Kündigung erhob der Kläger eine Kündigungsschutzklage. Er rügte die mangelnde Anhörung, insbesondere die unterlassene Vorlage der Ermittlungsakte vor Ausspruch der Kündigung.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Aufgrund des schwerwiegenden, vom Kläger nicht entkräfteten Verdachts, die Autoreifen von Mitarbeitern aufgeschlitzt zu haben, war die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt. Grundsätzlich kann der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Hier war der Verdacht des strafbaren Verhaltens so schwerwiegend, dass das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen des Beklagten zu dem Kläger zerstört war. Auch stand der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen, dass dem Kläger vom Beklagten die Ermittlungsakte nicht vorgelegt wurde. Der Umfang der Anhörungspflicht vor einer Verdachtskündigung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen. Erklärt der Arbeitnehmer wie im vorliegenden Fall, dass er sich zum Vorwurf nicht äußern werde und nennt er für seine Verweigerung keine Gründe, dann muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anhörung nicht näher über die Verdachtsmomente informieren. Eine derartige Anhörung des Klägers wäre auch überflüssig gewesen, da er die Vorwürfe bereits aus dem gegen ihn laufenden Strafverfahren kannte. Im Übrigen hätte er sich zu den Vorwürfen äußern können.

Das Fazit

Sobald ein Beschäftigter vom Arbeitgeber einer Straftat oder Verfehlung schwerwiegend verdächtigt wird, muss dieser zu den Vorwürfen gehört werden. Kann sich der Beschäftigte nicht entlasten, ist eine außerordentliche Verdachtskündigung grundsätzlich möglich. Allerdings muss es sich um Straftaten handeln, die in einem Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit stehen.

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